Heidi Jastrow

Wir sind E1NS

 

„Wir sind eins, folgen deinem Namen…“, singt die Outbreakband. Manch einer von uns kennt und liebt das Lied und schmettert es vielleicht mit Überzeugung mit. Wir sind E1NS! Ja, sind wir das? Was bedeutet es denn so ganz wirklich in unserer Realität, in unserem Leben, Gemeindealltag und Miteinander, in dem wir oft so zu kämpfen haben, dass Beziehungen oder sogar ganze Gemeinden nicht auseinanderfliegen! Ob es die Impffrage ist, die Musiklautstärke, der Gottesdienststil, die Machtausübung der Leitung oder theologische Meinungsverschiedenheiten – in unserer echten Realität prallen Woche für Woche ganze Welten aufeinander, die kaum miteinander vereinbar sind. Wir sind eben nur Menschen, und Menschen sind verschieden. Da gibt es die Beziehungsorientierten vs. die Zielorientierten, Dominante vs. Stetige, Gewissenhafte vs. Initiative. Das alles an Gegensätzen, von dem wir natürlich wissen, dass es sich bestens ergänzen könnte und sollte, reicht in der Regel schon aus, uns in Beziehungskonflikte zu stürzen und uns komplett mit uns selbst beschäftigt sein zu lassen.

Wir sind E1NS – was bedeutet es denn wirklich? Ist die Abwesenheit von Konflikten, ein äußerlich gewahrter Friede, wenn jeder seine Meinung zurückhält, ein gefundener Minimalkonsens oder ausgehandelter Kompromiss in den eben nicht auflösbaren Unterschiedlichkeiten und Meinungsverschiedenheiten denn schon Einheit? Bedeutet es Einheit, wenn wir uns als unterschiedliche Gemeinden alle paar Monate einmal mit anderen Gemeinden (auch mit solchen, über die wir vielleicht herablassend oder urteilend denken und reden) zu einem gemeinsamen Gottesdienst treffen? Ist die äußerliche Demonstration von Einheit, die sich sonst in unserem kleinen Alltag und gemeindeintern nicht unbedingt findet, denn tatsächlich Einheit?

Paulus schreibt über Jesus: „Denn er ist unser Friede. Er hat aus beiden eins gemacht und die Zwischenwand der Umzäunung, die Feindschaft, in seinem Fleisch abgebrochen. Er hat dem Gesetz mit seinen Geboten und Verordnungen ein Ende bereitet und dadurch Frieden gestiftet, indem er beide in sich zu einem einzigen neuen Menschen schuf. Er hat sie in einem Leib vereint und durch das Kreuz mit Gott versöhnt, sodass die Feindschaft ein Ende fand.“ (Eph 2,14 ELB und 15-16 NLB)

Einheit ist zuallererst einmal eine geistliche Realität in Gottes Reich. Mit dem Tod und der Auferstehung Jesu hat Gott diese Realität geschaffen. Ob Juden oder Heiden (die große Frage damals), ob Landes- oder Freikirche, ob diese oder jene theologische Prägung und Ansicht, ob wir uns grün sind oder nicht – Jesus hat uns alle, jeden an ihn Gläubiggewordenen, gemeinsam zu einem neuen Menschen geschaffen. Nicht nur viele einzelne neue Menschen, sondern alle neuen Menschen zusammen in einem Leib vereint – und zu einem einzigen neuen ‚Menschen‘ erschaffen.

Kurz vor seinem Tod betet Jesus diese berühmten Worte, die wir in Johannes 17,20-21 finden: „Ich bete nicht nur für diese Jünger, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben werden. Ich bete für sie alle, dass sie eins sind, so wie du und ich eins sind, Vater – damit sie in uns eins sind, so wie du in mir bist und ich in dir bin, und die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ (NLB)   

Dieses Gebet spricht deutlich auch über die zweite Dimension von Einheit. Jesus selbst hat sie um den Preis seines Lebens für uns gestiftet, sie ist ein Geschenk, etwas neu Geschaffenes, das wir nicht machen können. Aber es ist an uns, uns auf dieses Werk von Gott auch einzulassen, hineinzutreten in diese ‚viel zu großen Schuhe‘ – und damit ‚loszustiefeln‘ und diese Einheit zu leben. Jesus wusste besser als wir, dass wir als Menschen, mit unserer ‚alten Natur‘ und aus unserer eigenen Seelenpower dazu niemals in der Lage sein werden. Deshalb betet er für uns. Er tat es schon damals und sein Blick reichte dabei bis zu uns heute. Nach Deutschland. Ins Jahr 2022. „Vater, ich will, dass sie E1NS sind, genauso wie du und ich. Denn sonst wird die Welt niemals an mich glauben können.“ … denn sonst sehen die Menschen in ihrem Umfeld unversöhnte Beziehungen, zersplitterte Kirchen und verwirrende Unterschiede, und sie werden an der Unglaubwürdigkeit von ‚Gottes Bodenpersonal‘ scheitern… so möchte ich diesen Gedanken übersetzen. Die Beziehung zwischen Jesus und seinem Vater bestand in ihrem Wesen aus Liebe, die sich für den anderen komplett hingibt. Diese Liebe will auch in uns zum Ausdruck kommen.

Einheit ist zuallererst einmal eine geistliche Realität in Gottes Reich. Aber diese Realität muss in unserem praktischen Miteinander zu einer auch für andere anfassbaren und sichtbaren Realität werden – in unseren Beziehungen innerhalb unserer eigenen Gemeinde, und genauso zwischen uns verschiedenen Gemeinden. Die von Gott geschaffene geistliche Realität ist da – aber es ist so, als wäre sie mit unsichtbarer Tinte geschrieben.

Ich habe mal Wikipedia nach einer Idee gefragt und diese Antwort gefunden: „So können Sie die Geheimschrift aus Zitrone sichtbar machen: Zünden Sie einfach eine Kerze oder ein Teelicht an und halten Sie das Papier zwei bis drei Zentimeter darüber. Durch die Hitze verfärbt sich der Zitronensaft nach kurzer Zeit und wird sichtbar.“ So ist es. Danke, Wiki, das hilft.

Gott hat seinen Liebesbrief an die Welt geschrieben. Mit unserem Miteinander, mit unserer Liebe füreinander machen wir seine Schrift sichtbar. Aber das geht nicht einfach so, genauso wenig wie Zitronensaft, von Kindern für aufregende Geheimbotschaften benutzt, einfach von alleine sichtbar wird. Aus unserem Willen, unserem menschlichen Liebesvermögen heraus wird das niemals funktionieren. Unsere Seelenpower reicht nicht aus, ja, sie ist sogar das ganz falsche ‚Organ‘ oder ‚Gliedmaß‘ dafür. Wie die Zitrone eine Wärmequelle braucht, ein Feuer, so ist es auch mit der Einheit. Nur das Feuer Gottes in uns als Einzelnen wie auch in uns als Gemeinden kann diese Liebe Gottes zwischen uns sichtbar machen und damit lesbar für die Welt um uns herum. Ohne die Kraft des Heiligen Geistes als Quelle können wir weder als Einzelne noch als ‚Leib Christi‘ als ein ‚neuer Mensch‘ leben. Aber wenn wir uns danach ausstrecken und dem Heiligen Geist Raum geben, dann kann unsere Einheit zu einem geöffneten Eintrittstor hinein in das Reich Gottes werden für Menschen, die Jesus bisher noch nicht begegnet sind.

Wir sind E1INS. 

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